Dolorosa
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Rojotango gesungen von Erwin Schrott. Abendständchen mal ein Tango von Pablo Ziegler.Mehr
Rojotango gesungen von Erwin Schrott.
Abendständchen mal ein Tango von Pablo Ziegler.
Raphael
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Interview mit dem Bassbariton Erwin Schrott
Herr Schrott: wie gefällt Ihnen Ihr Nachname?

(Lachen) Ich werde wohl der einzige Sänger sein, der nach dem Kyoto-Abkommen wiederverwertet werden kann.
- Haben Sie deutsche Vorfahren?
Mein Gott, Erwin Schrott, deutscher kann ein Name nicht sein, dabei ist meine Familie bis ins Mark uruguayisch. Können Sie sich vorstellen, welche …Mehr
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Interview mit dem Bassbariton Erwin Schrott
Herr Schrott: wie gefällt Ihnen Ihr Nachname?

(Lachen) Ich werde wohl der einzige Sänger sein, der nach dem Kyoto-Abkommen wiederverwertet werden kann.
- Haben Sie deutsche Vorfahren?
Mein Gott, Erwin Schrott, deutscher kann ein Name nicht sein, dabei ist meine Familie bis ins Mark uruguayisch. Können Sie sich vorstellen, welche Probleme es immer in der Schule gab, um Schrott auszusprechen? Ich wuchs auf wie jeder andere Junge, obwohl ich in meiner Freizeit etwas andere Beschäftigungen hatte, als meine Klassenkameraden. Es gab viel Musik, ich stamme aus einer Familie, bei der Kultur und Werte eine große Rolle spielten. Mein Vater war Arbeiter, er musste von klein auf sehr hart arbeiten. Mit meiner Mutter gaben sie mir den Sinn für das rechte Maß der Dinge und Bodenständigkeit. Meine Kinder war ökonomisch beengt, besonders in Zeiten der schlimmen Diktatur, die wir hatten, doch das spürt man nicht, wenn in der Familie alle zusammenhalten und es viel Liebe gab.
- Wenn Sie Ihre musikalische Bildung mit der von Ihrer Lebensgefährtin Anna Netrebko vergleichen, die in einem kommunistischen System mit Musikspezialschulen aufwuchs…
Meine musikalische Ausbildung war auf hohem Niveau, da wir großartige Musiker und Lehrer in Uruguay haben, wie etwa meine Lehrerin Emilia Rosa. Als Kind sang ich im Chor, bis zum vierzehnten Jahr als Sopran, dann in tieferer Lage. Ich war ab und zu auch Solist tätig, was mir nicht unbedingt so gefiel. Ich mochte es nicht, mich vor den anderen aufzuspielen, mehr noch, ich erwog sogar, ganz mit dem Gesang aufzuhören. Ich wollte immer ein Teil des Chores sein.Ich habe so wunderbare Erinnerungen an diese Zeit, dieses Arbeiten in der Gruppe, die Kameradschaft, ich schulte mein Ohr, ich lernte vom Blatt ab zu singen.Und ich arbeitete, um mir den Unterricht für Klavier, Gesang Schlagzeug, Gitarre und Flöte zu finanzieren. Ich stellte mich der Opernhochschule in Montevideo vor, doch eine großartige Lehrerin namens Virginia Castro gab mir den Rat, sehr aufzupassen, da ich zu jung war, um meine Stimme ausbilden zu lassen. Die Stimmbänder sind sehr zerbrechlich, jeden Schritt muss man sich genau überlegen. Meine Eltern aber haben mich immer sehr unterstützt.
-Waren beide immer einverstanden mit Ihrer Berufswahl?
Ja, obwohl dies ein verrückter Beruf ist, der Solistenberuf birgt viele Gefahren, in jederlei Hinsicht. Es gibt keine Garantie, es ist, als ob sie aus einem Flugzeug ohne Fallschirm stürzen, doch die Lust am Fliegen ist größer, als alle Angst, Ich tat es nicht, um Geld zu machen, sondern immer aus Liebe zur Kunst. Es gibt keinen Mittelweg, doch man kann nur gewinnen; es ist eine wunderbare Welt, die sich einem da eröffnet, eine Welt der Phantasie. Doch man man muss stets auf Holz klopfen, darf niemals den Boden verlieren, da diese Welt auch sehr künstlich sein kann. Wenn einmal die Veranstaltung vorbei ist, soll man nach Hause zu seiner Familie gehen.

„Ein eitler Stierkämpfer… mit dunkler Stimme durchdringend nach Männlichkeit duftend“, schrieb man über Ihren Escamillo in München, den Sie jetzt in der Mailand Scala singen. Stört es Sie, dass man Ihnen immer wieder das Klischee des Latin-lovers anhängt?
So ein Cover auf einer CD bildet nicht meine Persönlichkeit ab. Es ist nur ein Bild, ein Foto, das in dem Studio gemacht wurde und als solches auch gesehen werden muss. Ich erkenne mich darin nicht, aber es ist nun mal eine CD, ein Produkt, das verkauft werden muss und ich weiß nicht, ob sich eine CD von mir verkaufen ließe, in der ich gerade aufwache und nur ein Auge auf habe. Mich nur über ein Cover zu beurteilen wäre nicht richtig, ich vertraue der Intelligenz des Publikums. Viele haben mich schon auf der Bühne erlebt und singen gehört, kurzum: die Musik entscheidet und nicht eine Fotografie.
- Opernfiguren werden immer weniger nach Stimme und Interpretationsvermögen denn nach Aussehen besetzt…
Die Oper ist keine Modenschau. Wichtig ist hier eine gute Stimme zu haben und mit ihr umgehen zu können. Ich bin kein Fanatiker von schönen Stimmen. Wichtig ist für mich nur, dass ein Sänger singen kann, dass er etwas zu sagen hat, dass er Emotionen vermitteln kann. Reine Schönheit kann gewiss auch beeindrucken aber nur oberflächlich, denn sie langweilt schnell. Doch wenn diese noch an Ausdruck gekoppelt ist, der sich nur durch hartes Studium erwerben lässt, an Energie, dann ist dies doch wunderbar. Da Sie das Aussehen ansprechen; in der ganzen Operngeschichte gab es immer wieder unendlich attraktive Sänger: die Moffo etwa, die Callas, del Monaco, Cesare Siepi, Pinza. Aber sie bleiben doch nicht wegen ihrer Schönheit in Erinnerung, sondern weil sie wie die Götter sangen! Wenn ich die Callas höre, könnte ich weinen. Schönheit um ihrer selbst willen ist oberflächlich und das Oberflächliche ist bald vergessen. Die Medien spielen dabei auch eine nicht unbeträchtliche Rolle. Der Sänger hat zu singen und Punkt.
- Ein unendlicher Hype ist um Sie entstanden, seitdem man weiß, dass Sie und Anna Netrebko ein Paar sind. Fürchten Sie um Ihre Unabhängigkeit?
Eines habe ich nach diesen vielen Jahren der Suche wirklich gelernt; mein Leben ist im Gleichgewicht, ich bin ganz ruhig. Eine oder mehrere CDs werden an meiner Persönlichkeit nicht viel ändern, lediglich in der Hinsicht, dass meine Enkel mich vielleicht später werden hören können. Und meine Tochter? Meine Tochter weiß sehr wohl, wer ihr Vater ist. Sie muss kein Foto anschauen, um mich wiederzuerkennen. Ihr Vater wird immer da sein, wann immer und wo immer sie ihn braucht. Sie weiß, wie sehr ich sie liebe, ich zeige es ihr jeden Tag. Und auch meinen kleinem Sohn. Der Hype wird sich legen, und die wahren Liebhaber der Musik werden nur über das Wesentliche reden: und das ist die Musik.

©2009 Von Teresa Pieschacón Raphael