Alfredo Di Stefano ist tot

8. Juli 2014


Heute und morgen feiert die Fußballwelt zwei große Klassiker im Halbfinale der WM, seit gestern trauert sie jedoch zugleich um einen ihrer Größten: Alfredo Di Stefano verstarb im Alter von 88 Jahren in Madrid.

Di Stefano ist ein außergewöhnlicher Vertreter seiner Zunft. Franz Beckenbauer nannte ihn mal den „komplettesten Spieler“. Komplett außergewöhnlich war die Posse um seinen Wechsel nach Spanien Anno 1953: Real Madrid und der FC Barcelona stritten sich um die Dienste des Argentiniers, der schon mit beiden Vereinen handelseinig war. Letztlich setzte sich der Hauptstadtclub unter bis heute nicht vollständig aufgeklärten Umständen im Transferpoker durch. Ein halbes Jahrhundert später ging eine ähnliche Auseinandersetzung um einen Profi aus Südamerika zugunsten von Barça aus: der momentan verletzte Neymar wechselte 2013 zu Messi, Xavi & Co., nachdem auch Real Madrid großes Interesse signalisiert hatte.

Bei Real Madrid bildete Di Stefano mit dem Ungarn Ferenc Puskás ein geniales Sturmduo, das den Mythos vom „Weißen Ballett“ begründete. Zwischen 1956 und 1960 gewann Di Stefano fünfmal hintereinander den Europapokal der Landesmeister. Insgesamt wurde er achtmal spanischer Meister. 1957 und 1959 war Di Stefano Europas Fußballer des Jahres. Länderspiele absolvierte er – auch das ist einzigartig – für drei Nationen: für seine Heimat Argentinien (6), für Kolumbien (4), das Land, in dem er Anfang der 1950er lebte, und für seine Wahlheimat Spanien (31), in der er nach Beendigung seiner aktiven Laufbahn (1966) noch lange als Trainer wirkte (u.a. bei Real Madrid, aber auch beim FC Valencia). Im Jahr 2000 wurde Di Stefano Ehrenpräsident von Real Madrid, 2008 Ehrenpräsident der UEFA.

Ein letztes ist ebenfalls außergewöhnlich: Di Stefano nahm nie an einer Weltmeisterschaft teil, obwohl er als einer der besten zehn Fußballer aller Zeiten gilt. Und das, obwohl er nicht aus einem fußballerischen Zwergstaat stammt wie seine Schicksalsgenossen Ryan Giggs (Wales), George Best (Nordirland) und George Weah (Liberia). Vielleicht der Preis für sein unstetes Leben zwischen Südamerika und Europa, das ihn zu einem der ersten Fußball-Migranten gemacht hat. 1958 in Schweden war Spanien nicht qualifiziert (Argentinien hingegen schon), 1962 in Chile war zwar Spanien dabei, nicht aber Di Stefano, der verletzungsbedingt passen musste.

Fußball ist eine Kunst – das war das Motto Di Stefanos, der aufgrund von Haarpracht und Spielweise schon als junges Talent bei River Plate Buenos Aires seinen Spitznamen verliehen bekam: La Saeta Rubia, zu deutsch: „Der Blonde Pfeil“. Es wäre schön, wenn die Botschaft vom Fußball als Kunstform in den Köpfen und Herzen der Protagonisten bliebe und als kleine Hommage an den großen Ballkünstler auch öfter sichtbar wäre. Von mir aus schon heute Abend.

(Josef Bordat)

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