Der Papst reist nach Polen :
Besuch bei einer Kirche im Unfrieden

Von Konrad Schuller, Warschau
Lesezeit: 2 Min.
In Warschau wird der Papst-Besuch vorbereitet
Papst Benedikt XVI. reist am Donnerstag in die Heimat seines Vorgängers Johannes Paul II. Dort trifft er auf eine Kirche im Unfrieden. Immerhin: Eine Mehrheit der Polen akzeptiert auch den Deutschen Josef Ratzinger als „unseren Papst“.

Das Kreuz am Pilsudski-Platz, wo der Papst die Messe feiern wird, steht schon. Mietskasernenhoch, umgeben von Absperrgittern, ist es in der vergangenen Woche aufgerichtet worden, Bautrupps flicken letzte Löcher im Pflaster, und die Stadtverwaltung hat für Kneipen, Restaurants und Geschäfte ein totales Alkoholverbot erlassen. Benedikt XVI. kommt am Donnerstag nach Polen, in die Heimat seines Vorgängers Johannes Paul II., in der deswegen eine Mischung aus Ausnahmezustand und Routine herrscht.

Die Behörden haben von den zahlreichen früheren Papstbesuchen verläßlich abrufbare Erfahrungen, alles läuft auf gelegten Gleisen. Die Polizei hält 15.000 Mann bereit, die Nato hat ein Aufklärungsflugzeug vom Typ Awacs bereitgestellt, und die Regierung hat ihren Angestellten freigegeben.

Alle Routine täuscht jedoch nicht darüber hinweg, daß Benedikt XVI., der Deutsche Josef Ratzinger, in Polen eine Kirche im Unfrieden besucht. Die Spannung zwischen einem volkstümlich-emotionalen, gelegentlich intoleranten Traditionskatholizismus und einer intellektuelleren, auf Öffnung bedachten Gegenwartskirche ist zuletzt im Streit über den euroskeptisch-antisemitischen Sender Radio Maryja eskaliert und spaltet den Episkopat. Der liberale Flügel hat dabei die Aufgabe erkannt, eine neue „Evangelisierung“ - sprich: Entpolitisierung - der Kirche zu fördern.

In Karol Wojtylas Heimatstadt Wadowice wird der Papst reden
In Karol Wojtylas Heimatstadt Wadowice wird der Papst redenREUTERS
In einen Mord verstrickt?

Zugleich ist das Land in den vergangenen Tagen durch neue Enthüllungen über die Zusammenarbeit mancher Priester mit dem kommunistischen Geheimdienst verunsichert worden. Veröffentlichungen über die mögliche Verstrickung des liberalen Priesters Michal Czajkowski in den Mord an seinem Amtsbruder Jerzy Popieluszko im Jahr 1984 drohen dabei besonders jenen Flügel zu belasten, der sich dem Nationalkatholizismus von Radio Maryja entgegenstellt.

Benedikt XVI. hat in dieser Atmosphäre eine Reiseprogramm gewählt, das seine Verbundenheit mit Johannes Paul II. betont, der die Polen stets dazu aufgerufen hat, sich Europa zu öffnen und die Versöhnung zwischen Christen und Juden voranzubringen. Außer Warschau besucht er Wojtylas Geburtsort Wadowice, Krakau, die Stadt seines Wirkens als Kardinal, und Auschwitz. Die Polen scheinen die Botschaft zu verstehen: Laut einer Umfrage sind 55 Prozent der Meinung, Josef Ratzinger sei wie vor ihm Karol Wojtyla „unser Papst“.