Der Ursprung des Festtermins für Allerheiligen


Gerne wird behauptet, der jetzige Termin von Allerheiligen habe etwas mit dem alten irischen Kalender zu tun. Auch in der Kathpedia steht fälschlich, dies sei auf irischen Einfluß zurückzuführen. Das ist allerdings aus verschiedenen Gründen Unsinn.

Nach dem Martyrologium von Tallaght, einer Liste von Heiligen und deren Festtagen aus dem achten oder neunten Jahrhundert, wurde in Irland ein Allerheiligenfest am 20. April begangen. Es ist dort als „Allgemeines Fest aller Heiligen und Jungfrauen Irlands und Britanniens und ganz Europas und im besonderen zur Ehre des heiligen Bischofs Martin, […]“ eingetragen, siehe etwa den Artikel von John Hennig.

Das verwandte Félire Oengusse, das Martyrologium des Óengus von Tallaght, vermerkt für den 20. April – ich zitiere nach der Ausgabe von Whitley Stokes:

La céssad Herodi / cruimthir crochtha tuile, / féil ir-Rúaim, rán baile, / nóeb n-Eorapa uile.

With the suffering of Herodius, a presbyter who crucified desire, the feast in Rome – right noble stead! – of the saints of whole Europe.

Der Presbyter Herodius könnte, muss aber nicht Herodion von Patras sein. Für den ersten November nennt es Lonán, Colmán und Crónán und daß die Schar des Hilarius den lauten Samain erhebt. Stokes’ Übersetzung von Samain (Samhain) mit „All Saints’ Day“ führt ein wenig in die Irre, denn der irische Text spricht einfach vom Samain, dem Sommerende, erläutert ihn nicht näher, betont aber: Die Schar des Hilarius erhebt Samain. Ein Allerheiligenfest hätte so eine Erhebung wohl nicht notwendig.

Der November-Termin ist allerdings für das Frankenreich z.B. aus einem Brief Alkuins an den Erzbischof Arno von Salzburg aus der Zeit um 800 bezeugt, in dem der heilige Alkuin für diesen Festtag wirbt. Eine Votivmesse an alle Heiligen ist auch aus dem Sakramentar Alkuins bezeugt, siehe z.B. diesen Artikel von Gerald Ellard.

Im Martyrologium des Beda Venerabilis findet sich das Fest nicht im Original, wohl aber in Überarbeitungen, die ebenfalls in die Zeit um 800 deuten. In einer späteren Überarbeitung wird der Festtermin auf römischen Ursprung zurückgeführt, aber auch ausgeführt, das Kaiser Ludwig der Fromme das Fest für das Frankenreich auf den 1. November setzen ließ. Das kann man z.B. hier bei der Bayerischen Staatsbibliothek nachlesen.

Nun stammte Alkuin aus England, und so können wir den Ursprung des Novembertermins für Allerheiligen irgendwo im angelsächsischen oder fränkischen Raum verorten.

Eine Theorie dazu ist, daß der Termin des 1. November tatsächlich aus Rom stammen soll, als Papst Gregor III. eine Allerheiligenkapelle im Petersdom in Rom eingeweiht hat und den 1. November als lokalen Festtag festgelegt haben soll. Der heilige Egbert von York hätte das Fest in Rom kennengelernt — er hat von Papst Gregor III. das Pallium erhalten – und daher auch in seinem Bereich eingeführt. Beda Venerabilis war übrigens sein Lehrer, Alkuin sein Schüler.

Ob nun der Termin tatsächlich aus Rom stammte, oder Egbert vielleicht bloß das Fest selbst mitbrachte, aber einen geeigneteren Termin suchte, oder ob Egbert eigentlich gar nichts damit zu tun hatte, und der Festtermin andere angelsächsiche oder fränkische Wurzeln hat, werde ich nicht klären können. Eines ist aber geklärt: Daß der Termin nichts mit der Christianisierung Irlands im fünften und sechsten Jahrhundert zu tun hat, sondern um 800 außerhalb der Insel gewählt wurde.

Es ist, wie schon erwähnt, überliefert, daß das Fest am 1. November im Zusammenwirken von Papst Gregor IV. und Kaiser Ludwig dem Frommen zumindest für das Frankenreich 835 für verbindlich erklärt wurde, so im Martyrologium des Ado von Vienne, eines Zeitgenossen der Ereignisse. Das könnte im Zusammenhang mit der zweimaligen Absetzung (830 bzw. 833) des Kaisers stehen. Erst mit 1. März 834 wurde er wiederum feierlich in Saint-Denis eingesetzt, der Konflikt zog sich noch einige Monate hin. Die zeitliche Nähe zur Erhebung des Festes ist zumindest auffällig: Vielleicht ein Akt der Dankbarkeit für das glückliche Ende des bitteren Streits? Allerdings habe ich weder in der Gesta Hludowici imperatoris des Theganus noch in der Vita Hludowici imperatoris des Astronomus einen Hinweis auf die Einführung des Festes gefunden, und in seiner Chronik erwähnt Ado von Vienne das Fest ebenfalls nicht. Es kann für die Zeitgenossen also wohl kein weltbewegendes Ereignis gewesen sein.

Im sogenannten Karolingischen Reichskalender, wie ihn Arno Borst genannt hat, findet sich jedenfalls für den 1. November ein Eintrag für das Allerheiligenfest, wenn auch in den Handschriften nicht immer an erster Stelle. So wird oft das Fest des heiligen Caesarius, manchmal des heiligen Benignus zuerst genannt. In einigen Handschriften findet sich auch ein Fest des heiligen Hilarius für diesen Tag, womit die Verbindung zum Félire Óengussa wiederhergestellt ist, das ja für den 1. November ein Hilarius-Fest erwähnt.

Fazit: Die Quellenlage für Allerheiligen ist weitaus besser, als ich angenommen habe. Das Fest selbst ist ja schon älter, worauf ich im nächsten Blogeintrag zu sprechen komme. Der Termin könnte wohl aus Rom stammen, seine allgemeine Gültigkeit ist aber jedenfalls auf eine angelsächsisch-fränkische Tradition zurückzuführen. Der kulturelle Austausch zwischen den Angelsachsen und den Franken war damals sehr rege, die Sprachbarriere noch relativ gering, so daß dies nicht weiter überraschend ist.

PS: Halloween, das vor allem dank kräftiger Bemühungen des Handels auch bei uns Verbreitung findet und sich z.T. mit einheimischem Brauchtum vermischt, ist natürlich wieder eine andere, recht komplizierte Geschichte, die ohne das Amalgam der Siedler in den USA nicht denkbar ist. Doch dazu mehr in einem anderen Jahr.

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