Papst für mehr Barmherzigkeit bei Annullierungen

Papst Franziskus fordert mehr Barmherzigkeit in kirchlichen Ehenichtigkeitsverfahren. „Vergesst während eurer Arbeit nicht, dass ihr Hirten seid“, sagte er am Freitag vor Kirchenrichtern der römischen Rota.

Ein Kirchenrichter müsse wie ein „guter Hirte“ für die Gläubigen sein, der sich um das „verletzte Schäflein“ kümmere. Hinter jedem Annullierungsfall stünden Personen, die Gerechtigkeit erwarteten. Zugleich sagte der Papst, dass Kirchenrecht und Seelsorge keinen Gegensatz bildeten. Beide dienten dem Wohl der Gläubigen und dem Aufbau einer christlichen Gemeinschaft. Die im Vatikan angesiedelte Rota ist das zweithöchste Gericht der katholischen Kirche und vor allem für Ehenichtigkeitsverfahren zuständig.

Bald Erleichterung der Eheannullierung?

Kirchenrechtler seien der Wahrheit und der Gerechtigkeit verpflichtet, so Franziskus weiter. Sie dürften bei aller Unparteilichkeit jedoch nicht das Feingefühl und die Menschlichkeit eines Seelenhirten vernachlässigen. Die Amtsräume eines Kirchenrichters müssten wie eine Sozialstation sein, erläuterte der Papst. Die Richter dürften sich nicht mit einer oberflächlichen Kenntnis der Wirklichkeit zufriedengeben, sondern müssten jeden einzelnen Fall gewissenhaft studieren.

Die römische Rota im Vatikan mit Papst Benedikt XVI.

Reuters/Osservatore Romano

Kirchenrichter der römischen Rota im Vatikan (mit Papst Benedikt XVI.)

2013 mehr Ehen annulliert als im Jahr davor

Rota-Dekan Pio Vito Pinto sagte bei dem Empfang beim Papst, das vatikanische Ehegericht habe im Jahr 2013 mehr Ehen für nichtig erklärt als in den Vorjahren. Der Trend, dass die negativen Urteile die positiven überwögen, sei umgekehrt worden, so Pinto. Zugleich gab der Geistliche bekannt, dass sich die Zahl der abgeschlossenen Prozesse mit rund 400 gegenüber 2012 und den Jahren zuvor mehr als verdoppelt habe.

Das katholische Kirchenrecht sieht in bestimmten Fällen die Möglichkeit einer Eheannullierung vor. Sie bedeutet im Gegensatz zu einer zivilrechtlichen Scheidung, dass die Ehe als Sakrament nie bestanden hat. Voraussetzung ist der Nachweis von sogenannten Ehewillensmängeln. Hierzu zählen etwa der Ausschluss von Kindern oder eine grundsätzliche Ablehnung der Unauflöslichkeit der Ehe. Weitere Gründe für eine Nichtigkeitserklärung sind Formfehler oder psychische Einschränkungen.

Die im Vatikan angesiedelte Rota ist die letzte Instanz für solche Ehenichtigkeitsverfahren. Die meisten Prozesse finden an den Kirchengerichten der Diözesen statt. Der Vatikan prüft derzeit eine Straffung der Verfahren, die sich an der Rota und in manchen Ländern über mehrere Jahre hinziehen können.

„Ehebandverteidiger“ kann Einspruch einlegen

Eine katholische Ehe dürfe niemals leichtfertig aufgelöst werden, hatte Papst Franziskus vergangenen November gesagt. Ein „Ehebandverteidiger“ („defensor vinculi“) hat bei kirchlichen Ehenichtigkeitsverfahren die Aufgabe, das Sakrament der Ehe zu verteidigen und alle nur erdenklichen Gründe für die Gültigkeit der fraglichen Ehe anzuführen.

Seine Aufgabe besteht darin, das Kirchenrecht mit der gesellschaftlichen Situation in Einklang zu bringen. Der „Ehebandverteidiger“ in kirchlichen Annullierungsverfahren muss deshalb jeden Einzelfall gründlich studieren und gegebenenfalls beim vatikanischen Appellationsgerichtshof, der Römischen Rota, Einspruch gegen Urteile einlegen, die er für falsch hält.

Zugang für wiederverheiratete Geschiedene?

Eine Erleichterung der Eheannullierung wurde in den vergangenen Monaten auch von ranghohen vatikanischen Vertretern als Möglichkeit genannt, um einem Teil der wiederverheirateten Geschiedenen den Zugang zu den Sakramenten zu ermöglichen.

Im vatikanischen Fragebogen zu Familie, Ehe und Sexualität zur Vorbereitung der Bischofssynode im Oktober lautet eine Frage, ob eine „Straffung“ der Ehenichtigkeitsverfahren als hilfreich erachtet werde. Der Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen in der römisch-katholischen Kirche gehört zu den meistkritisierten Punkten seitens des Kirchenvolks.

religion.ORF.at/KAP

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