Große Polit-Rede des Papstes - Hoffnung auf Syrien-Frieden
„Ich höre nicht auf
zu hoffen, dass der Konflikt in Syrien endlich ein Ende finde.“ Das sagte Papst Franziskus
am Montagvormittag im Vatikan vor Diplomaten. In seiner großen Neujahrs-Ansprache
nannte er es „unannehmbar, dass die wehrlose Zivilbevölkerung“ in Syrien vom Krieg
„heimgesucht wird, vor allem die Kinder“. Jetzt brauche es einen „erneuten gemeinsamen
politischen Willen, um dem Konflikt ein Ende zu setzen.“
Zu 180 Staaten unterhält
der Heilige Stuhl derzeit volle diplomatische Beziehungen, eine Rekordzahl. Der jüngste
Neuzugang war, im Februar letzten Jahres, der neugebildete Staat Südsudan. Die diplomatischen
Vertreter all dieser Länder empfängt ein Papst traditionell Anfang Januar zu einer
großen Audienz: Gelegenheit für eine politische Grundsatzrede. Franziskus ging an
diesem Montag als erstes auf das Thema Familie ein: „Der familiäre Wortschatz ist
ein Wortschatz des Friedens“, zitierte er seinen Vorgänger Benedikt XVI., um sich
dann besorgt über die Zahl der „getrennten, zerrissenen Familien“ zu äußern. Es seien
„politische Maßnahmen notwendig, welche die Familie unterstützen, fördern und festigen“.
„Zudem
kommt es vor, dass die alten Menschen als eine Last betrachtet werden, während die
Jugendlichen keine sicheren Perspektiven für ihr Leben vor sich sehen. Stattdessen
sind die alten und die jungen Menschen die Hoffnung der Menschheit. Erstere bringen
die Weisheit der Erfahrung ein; letztere öffnen uns auf die Zukunft hin, indem sie
uns hindern, uns in uns selbst zu verschließen.Es ist klug,
die alten Menschen nicht aus dem Gesellschaftsleben auszugrenzen, um das Gedächtnis
eines Volkes lebendig zu halten. Ebenso ist es gut, in die Jugendlichen zu investieren
mit geeigneten Initiativen, die ihnen helfen, eine Arbeit zu finden und ein eigenes
Heim zu gründen. Man darf ihre Begeisterung nicht auslöschen!“
Nach dieser
Einleitung kam der Papst in einer tour d`horizon auf Krisenherde in vielen Teilen
der Welt zu sprechen. Er erinnerte an „die Bilder der Zerstörung und des Todes, die
wir im vergangenen Jahr vor Augen hatten“. Trotzdem blicke er auf das neue Jahr „mit
Zuversicht“ – und gebe vor allem die Hoffnung auf Frieden in Syrien nicht auf.
„Jetzt
bedarf es eines erneuten gemeinsamen politischen Willens, um dem Konflikt ein Ende
zu setzen. Aus dieser Sicht hoffe ich darauf, dass die für den kommenden 22. Januar
einberufene „Genf 2“-Konferenz den Anfang des ersehnten Weges der Befriedung setzt.
Zugleich ist die volle Achtung der Menschenrechte unumgänglich. Es ist unannehmbar,
dass die wehrlose Zivilbevölkerung heimgesucht wird, vor allem die Kinder. Ich ermutige
außerdem alle, auf jede mögliche Weise die notwendige und dringende Hilfe für einen
großen Teil der Bevölkerung zu fördern und zu gewährleisten“.
Mit Sorge
äußerte sich der Papst auch zur Lage in Ägypten. Gleichzeitig sehe er aber „mit Genugtuung
die bedeutenden Fortschritte“ in den Atom-Gesprächen zwischen dem Iran und westlichen
Staaten.
„Überall muss zur Lösung offener Probleme der diplomatische Weg
des Dialogs beschritten werden. Es ist der Königsweg... In diesem Sinn ist es positiv,
dass die Friedensverhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern wieder aufgegriffen
wurden, und ich wünsche mir von Herzen, dass die Parteien entschlossen sind, mutige
Entscheidungen zu treffen, um eine gerechte und dauerhafte Lösung für den Konflikt
zu finden... Unaufhörlich bleibt der Exodus der Christen aus dem Nahen Osten und aus
Nordafrika ein Grund zur Sorge.“
Nach dem Nahen Osten wandte sich der Papst
Afrika zu: Dort sollten die Christen „nie davon ablassen, das Gute zu tun, auch wenn
es schwierig ist und wenn man Akte der Intoleranz, wenn nicht sogar echter Verfolgung
erleidet“.
„In weiten Gebieten Nigerias hört die Gewalt nicht auf und wird
weiter viel unschuldiges Blut vergossen. Ich denke vor allem auch an die Zentralafrikanische
Republik, wo die Bevölkerung aufgrund der Spannungen leidet, die das Land durchziehen...
Ich hoffe darauf, dass die Bemühungen der internationalen Gemeinschaft dazu beitragen,
dass die Gewalt aufhört, der Rechtsstaat wiederhergestellt wird und den humanitären
Hilfen der Zugang auch in den entlegenen Zonen des Landes gewährleistet wird.“
Auf
Versöhnung und Frieden hofft der Papst auch für Mali, wo er immerhin von einer „positiven
Wiederherstellung der demokratischen Strukturen“ spricht, und für den Südsudan, wo
er die „neue humanitäre Notlage“ angesichts der „politischen Instabilität“ beklagt.
Beim Thema Asien kam Franziskus zunächst auf das geteilte Korea zu sprechen.
„Anlässlich
des fünfzigsten Jahrestags der diplomatischen Beziehungen mit der Republik Korea möchte
ich Gott um das Geschenk der Versöhnung auf der Halbinsel anflehen mit dem Wunsch,
dass die betroffenen Parteien zum Wohl des ganzen koreanischen Volkes nicht müde werden,
Begegnungspunkte und mögliche Lösungen zu suchen. Asien hat nämlich eine lange Geschichte
eines friedlichen Miteinanders seiner verschiedenen zivilen, ethnischen und religiösen
Komponenten. Man muss diese gegenseitige Achtung fördern...“
In diplomatisch
abgewogenen Worten drückte der Papst seinen Wunsch aus, dass die Rechte und Freiheiten
von Christen in allen Ländern Asiens respektiert werden. Da mag er an Indonesien gedacht
haben und natürlich an China; ausgesprochen hat er es nicht, zumal der Heilige Stuhl
auch seit Jahrzehnten keine diplomatischen Beziehungen zur Volksrepublik China hat.
Friede, so fuhr Franziskus dann fort, werde in einigen Teilen der Welt durch die Tatsache
bedroht, dass viele Menschen nicht genug zu essen hätten.
„Die Gesichter
derer, die Hunger leiden, vor allem der Kinder, können uns nicht gleichgültig lassen,
wenn wir daran denken, wie viele Lebensmittel jeden Tag verschwendet werden und zwar
in vielen Teilen der Welt, in der jene – wie ich es mehrfach genannt habe – „Wegwerf-Kultur“
herrscht. Leider werden heute nicht nur Nahrung und überflüssige Güter zu Abfall,
sondern oft werden sogar die Menschen „weggeworfen“, als wären sie „nicht notwendige
Dinge“. Zum Beispiel erregt allein der Gedanke Entsetzen, dass es Kinder gibt, die
als Opfer der Abtreibung niemals das Licht der Welt erblicken können, oder Kinder,
die als Soldaten benutzt werden, in bewaffneten Konflikten vergewaltigt oder getötet
werden, oder die in jener schrecklichen Form moderner Sklaverei, nämlich dem Menschenhandel,
zur Marktware gemacht werden, der ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellt.“
Das
Drama des Hungers, etwa am Horn von Afrika und in der Region der Afrikanischen Großen
Seen, dürfe niemanden gleichgültig lassen, sagte der Papst. Viele von ihnen lebten
als Flüchtlinge oder Vertriebene in Lagern, „in denen sie nicht mehr als Personen,
sondern als anonyme Nummern“ gesehen würden. Andere unternähmen „in der Hoffnung auf
ein besseres Leben Fahrten ins Ungewisse“, die nicht selten tragisch endeten. Stichwort:
Bootsflüchtlinge von Afrika nach Europa.
„Der kurze Besuch, den ich im letzten
Juli auf Lampedusa gemacht habe, um für die vielen Schiffbrüchigen im Mittelmeer zu
beten, ist mir noch in lebendiger Erinnerung. Leider herrscht eine große Gleichgültigkeit
angesichts ähnlicher Tragödien, was ein dramatisches Zeichen für den Verlust jenes
Sinns für brüderliche Verantwortung ist, auf dem sich jede Zivilgesellschaft gründet.“
Als
„weitere Verletzung des Friedens“ machte der Papst die, so wörtlich, „gierige Ausbeutung
der Umweltressourcen“ aus. Die Erde sei das „Zuhause eines jeden von uns“, daran müsse
sich eine nachhaltige Politik ausrichten, auch aus Verantwortung vor den kommenden
Generationen.
„Ich erinnere an eine Volksweisheit, die sagt: »Gott vergibt
immer, wir vergeben manchmal, die Natur – die Schöpfung – vergibt nie, wenn sie misshandelt
wird!« Andererseits haben wir die verheerenden Auswirkungen einiger der jüngsten Naturkatastrophen
vor Augen gehabt. Insbesondere möchte ich noch einmal an die zahlreichen Opfer und
die schweren Verwüstungen auf den Philippinen und in anderen Ländern Südostasiens
erinnern, die der Taifun Haiyan verursacht hat.“
Ein eigenes Kapitel für
Europa gab es in der diesjährigen Polit-Rede des Papstes nicht. Auch das ist ein Hinweis
darauf, dass sich mit der Wahl eines Lateinamerikaners auf den Stuhl des Petrus der
Fokus im Vatikan geändert hat.