Religion in Zeiten der Fußball-WM

12. Juni 2014


Heute beginnt in Brasilien die 20. Fußballweltmeisterschaft. Grund genug, einmal dem Zusammenhang von Fußball und Religion nachzugehen.

Ganz allgemein liegt die religiöse Bedeutung des Sports in dessen anthropologischer Funktion als besonderes Element der Kultur menschlicher Körperlichkeit. Sport ist Körperkultur und damit Kultur und damit – im weitesten Sinne – religiöser Akt, soweit damit die Absicht verbunden ist, im menschlichen Handeln über den Menschen hinauszuweisen. Das verbindet Formen der Kultur im engeren Sinne (Musik, Kunst, Sport) mit der Religion.

Sport hat zudem eine besondere Nähe zur Religion, weil es im Sport darum geht, das Wesen menschlicher Körperlichkeit zu erfahren und dessen intrinsische Hemmnisse als Herausforderungen zu begreifen und schließlich zu überwinden: schneller, höher, weiter. Im Sport werden Grenzen überschritten, eigene Grenzen und menschliche Grenzen schlechthin. Das ist der erste Schritt in Richtung Selbsttranszendierung und Glückseligkeit als klassische Anliegen der Religion.

Im Fußballsport finden sich zudem in Ritus und Gestus zahlreiche Anspielungen auf religiösen Kult. Vereine spreizen sich zu quasireligiösen Gemeinschaften auf, erfassen die Totalität der Lebensvollzüge (es gibt Menschen, die schlafen in Schalke-Bettwäsche), verknüpft mit der Hoffnung auf Heil („Und wir hooo-len den Pooo-kal, hal-le-luuu-ja“), die sich wiederum an das Aufscheinen besonderer Gnade bindet (Flankengott), deren Manifestation sich manchmal bereits qua nomine aufdrängt (Messi[as]).

Es gibt aber auch die andere Blickrichtung: gläubige Fußballer. Sie zeigen offen ihre Zugehörigkeit zu Jesus Christus – im Kreuzzeichen, im Gebet und manchmal auch auf T-Shirts. Als gläubiger Christ gilt auch der wohl beste Spieler aller Zeiten: Edson Arantes do Nascimento, kurz – Pelé. Den Weltbürgerstatus, den die UNO dem Brasilianer am 27. September 1977 verlieh, erwarb sich Pelé in erster Linie nicht nur für seine sportlichen Erfolge (er wurde mit Brasilien dreimal Weltmeister), sondern vor allem aufgrund seiner Vorbildfunktion und für sein bemerkenswertes soziales Engagement. Auch die jetzige Generation lässt sich nicht lumpen – fast jeder brasilianische Nationalspieler hat in der Heimat sein Hilfsprojekt. Was bei ihnen zählt, ist eben nicht nur auf’m Platz.

(Josef Bordat)

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