Franziskus. Wie er ist und was von ihm erwartet wird

30. Oktober 2013


Zwei Neuerscheinungen aus dem Styria-Verlag geben Auskunft über Papst Franziskus – und darüber, was er bewirken kann. Und soll.

Über Papst Franziskus meint fast jeder, der sprechen kann, auch etwas sagen zu können. Oft nur Gutes, oft in Abgrenzung zum Vorgänger: Franziskus ist bescheiden, charismatisch und führt die Kirche in die Zukunft, Benedikt war spröde und unnahbar, kunsthistorisch im Barock, theologisch im Mittelalter. So lassen sich viele Stellungnahmen der letzten Monate zusammenfassen, die von dem besonderen Reiz zehren, dass Benedikt seinem Nachfolger das Amt zur Verfügung stellte und Franziskus damit in einer ganz eigentümlichen Spannung zum emeritierten Papst aus Bayern steht. Dies wird – wie gesagt – oft und gerne ausgeschlachtet.

Es spiegelt sich zum Beispiel in der Erwartungshaltung wider, die seitens katholischer und nicht-katholischer Publizisten an den „Neuen“ herangetragen wurden und werden. Sie alle enthalten implizit den Vorwurf gegenüber Benedikt, eben jene Wünsche nicht erfüllt und es insgesamt versäumt zu haben, an den ihrer Ansicht nach entscheidenden Stellen nicht „weiter“ gekommen zu sein. Dass Franziskus theologisch und ekklesiologisch mindestens so nah bei Benedikt ist wie räumlich, wird ebenso oft und ebenso gerne übersehen.

Nun versammelt der Band Du bist Petrus. Anforderungen und Erwartungen an den neuen Papst 15 Theologinnen und Theologen aus dem deutschsprachigen Raum, die ihr Stellenprofil für den Stuhl Petri formulieren. Es sind nicht nur katholische Gelehrte, die hier zu Wort kommen, sondern auch protestantische, orthodoxe, jüdische und muslimische Stimmen werden aufgezeichnet. Sie wollen als Chor das Lied „Was bringt mir Kirche“ singen, zugleich aber „keine Handlungsanleitung für den Heiligen Geist“ bieten, sondern „Mosaiksteine zur Reflexion“ verlegen. Gegenstand des kritischen Nachdenkens ist die Kirche, das Papsttum, die Moderne, die Ökumene und der Glaube.

Die Erträge des Bandes sind durchaus beachtlich und tatsächlich weniger ein Regierungsprogramm, das man als Paket dem neuen Pontifex aufschnürt, sondern eher mehr oder minder helle Visionen einer Kirche in Entwicklung, die an den Herausforderungen der Zeit wächst. Ganz konkret in Richtung Franziskus geht die Forderung nach Kollegialität statt Autorität in der Kurie (Clemens Sedmak), die Vorstellung, der Papst gebe dem Amt die „menschliche Dimension“ wieder „zurück“ (Arnold Mettnitzer), denn schließlich sei er „kein Gott auf Erden“ (Roman Siebenrock), und dann freilich der Wunsch, Franziskus möge idealerweise „auch uns Frauen zuhören“ (Beatrix Mayrhofer).

Spannender sind da schon die inhaltlichen Fragen, die Auseinandersetzung mit einer „rasant sich verändernden Welt der Gegenwart“: Die Kirche muss nach Auffassung Matthias Becks „mit den Naturwissenschaften und Humanwissenschaften ins Gespräch kommen und offen auf andere Konfessionen, Religionen, aber auch auf Agnostiker und Atheisten zugehen“, schon deshalb, weil Außenstehende helfen, das aufzudecken, was aus Gründen der Betriebsblindheit unerkannt zu bleiben droht (Jan-Heiner Tück). Die Kirche muss zudem eine kultursensitive Weltkirche in „kontinentaler Vielfalt“ sein (Paul Michael Zulehner), was die Chance zur „Verlebendigung der einen Kirche“ eröffne (Andrea Lehner-Hartmann). Vielfalt ist ohnehin eines der zentralen Stichwörter, das vor allem im Zusammenhang mit der Ökumene immer wieder genannt wird.

Der Bogen ist hart gespannt, die To do-Liste ellenlang (wenn man schon mal fordern und wünschen darf!) und der Teufel steckt – auch in der Katholischen Kirche – im Detail. Die Autorinnen und Autoren sind sich dessen aber durchaus bewusst. Das unterscheidet sie wohltuend von manchen zumindest emotional ganz weit außen stehenden Kommentatoren, die Kirche, Papst und Kurie mit kurzen Ideen in ebensolcher Frist revolutioniert sehen wollen.

Dass Franziskus der „andere“ Papst ist (eben anders als Benedikt XVI. und auch als Johannes Paul II.) machen Mathilde Schwabeneder und Esther-Marie Merz in ihrem Porträt Franziskus. Vom Einwandererkind zum Papst deutlich. Akribisch verfolgen sie die Spur zurück nach Argentinien, bis weit hinein in die Jahre der Kindheit und Jugend Jorge Mario Bergoglios. Er führte, so die Autorinnen, von Anfang an ein „erfülltes und bescheidenes Leben“, trat in den bildungsbeflissenen Jesuitenorden ein, wird Dozent („aber kein Professor“) und mit gerade mal 36 Jahren Provinzial der Gesellschaft Jesu in Argentinien. Das ist noch einige Jahre vor der Militärdiktatur – eine dunkle Zeit für Franziskus, die von den ORF-Journalistinnen ausführlich thematisiert wird.

Die Grundausrichtung des Geistlichen, der 1992 zum Weihbischof und 1998 zum Erzbischof von Buenos Aires ernannt und 2001 zum Kardinal erhoben wird, steht im Mittelpunkt der Darstellung: der Kampf gegen die Ungerechtigkeit, die Option für die Armen und Marginalisierten und die Bemühung, den interreligiösen Dialog zu führen, dies sind die zentralen Anliegen seines pastoralen Wirkens, die nun auch das Pontifikat prägen werden, so die Autorinnen. Dass er in seinem neuen Amt den einfachen Lebensstil beibehält und den Blick unverändert auf die Ränder der Gesellschaft richtet, beglaubigt zum einen im Nachhinein sein langjähriges Engagement, zum anderen gibt es der Kirche insgesamt die Richtung vor, keine neue theologische Richtung zwar, doch gleichwohl eine, die der um Orientierung ringenden Kirche die Zukunft weist.

Die aspektenreiche Biographie, die Mathilde Schwabeneder und Esther-Marie Merz zusammenstellen, wird durch einen Lebenslauf sowie nützliche Quellenverzeichnisse ergänzt und von Bischof Erwin Kräutler eingeleitet, der in seinem Vorwort an Franziskus‘ Auftreten beim Weltjugendtag in Rio de Janeiro im Juli diesen Jahres erinnert. Die sehr persönlich gehaltenen Kapitel des Buchs stellen Papst Franziskus in lebendiger und zugänglicher Sprache vor, wie er ist – und nicht, wie wir ihn gerne hätten, obgleich vieles von dem, was sich die Autorinnen und Autoren des Sammelbandes Du bist Petrus vom Papst erhoffen, in dem, was Schwabeneder / Merz über sein bisheriges Leben und Wirken sagen können, eine vielversprechende Basis findet. Wenn Franziskus in Rom da weitermacht, wo Bergoglio in Buenos Aires aufgehört hat, ist die Chance, dass einige der Theologen-Wünsche in Erfüllung gehen, gar nicht mal so gering.

Bibliographische Daten:

Gerda Schaffelhofer (Hg.): Du bist Petrus. Anforderungen und Erwartungen an den neuen Papst.
Wien: Styria (2013).
208 Seiten, € 19,99.
ISBN 978-3-222-13409-8.

Mathilde Schwabeneder / Esther-Marie Merz: Franziskus. Vom Einwandererkind zum Papst.
Wien: Styria (2013).
256 Seiten, € 24,99.
ISBN 978-3-222-13415-9.

(Josef Bordat)

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