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Rom gibt Vermittlungsprobleme bei Sexualmoral zu

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In einem 85-seitigen Dokument stellt das Generalsekretariat der Bischofssynode – eines der wichtigsten Beratungsorgane von Papst Franziskus – Probleme bei der Akzeptanz der kirchlichen Sexualmoral fest In einem 85-seitigen Dokument stellt das Generalsekretariat der Bischofssynode – eines der wichtigsten Beratungsorgane von Papst Franziskus – Probleme bei der Akzeptanz der kirchlichen Sexualmoral fest
In einem 85-seitigen Dokument stellt das Generalsekretariat der Bischofssynode – eines der wichtigsten Beratungsorgane von Papst Franziskus – Probleme bei der Akzeptanz der kirchli...chen Sexualmoral fest
Quelle: Getty Images
Der Vatikan hat das Ergebnis einer Studie zur Sexualmoral veröffentlicht: Viele Gläubige können mit der katholischen Lehre wenig anfangen. Nun beginnt die Diskussion, wie die Kirche reagieren sollte.

Der Johannestag ist schon immer ein besonderes Datum für die Kirche gewesen. Seit Jahrhunderten feiern die Gläubigen am 24. Juni nicht nur den Geburtstag Johannes’ des Täufers. Sie begehen auch die Sommersonnenwende, die zwar astronomisch gesehen schon wenige Tage vorher dran ist, aber im christlichen Brauchtum stets mit dem Johannestag verbunden war. Am Johannestag erinnern sich die Gläubigen daran, dass die Tage wieder kürzer werden und die Dunkelheit Stück für Stück wieder zunimmt.

Am Donnerstag hat der Vatikan ein Dokument von großer Sprengkraft veröffentlicht. Datiert ist es allerdings auf Dienstag, den 24. Juni 2014, das „Hochfest der Geburt des Hl. Johannes des Täufers“. In den nächsten Monaten müssen Würdenträger ebenso wie Laien nun darüber streiten, ob der Text die Verlängerung des vatikanischen Frühlings bedeutet, den Papst Franziskus angeregt hat. Oder ob nach zaghaftem Tauwetter in der Kurie die Tage nun nicht doch allmählich wieder kürzer werden.

Das Papier stellt die Ergebnisse einer Umfrage zusammen, in der Priester und Gläubige auf der ganzen Welt ihre Meinung zur kirchlichen Sexualmoral dargelegt haben. Dabei zeigt sich, dass viele Kirchenmitglieder die katholische Lehre entweder nicht mehr kennen, sie nicht verstehen oder sie rundweg ablehnen.

„Besorgniserregende Distanz“ zwischen Familie und Kirche

Das 85 Seiten lange Dokument stammt vom Generalsekretariat der Bischofssynode, einem der wichtigsten Beratungsorgane von Papst Franziskus. Darin stellt der Vatikan fest, dass die Kirche viele Gläubige mit ihrer Lehre zu Familien- und Sexualethik nicht mehr erreicht. Akzeptanzprobleme gebe es insbesondere „im Hinblick auf die Geburtenkontrolle, Scheidung und Wiederheirat, Homosexualität, Zusammenleben, Treue, In-vitro-Fertilisation usw.“ Die Autoren sehen eine „besorgniserregende Distanz zwischen der Familie, wie sie heute lebt, und der diesbezüglichen Lehre der Kirche“.

Es ist das erste Mal, dass der Vatikan offiziell zu den Ergebnissen einer Studie Stellung nimmt, die im Oktober 2013 begann. Damals hatte Papst Franziskus weltweit einen umfangreichen Fragenkatalog verschickt. Geistliche und Laien sollten sagen, was sie über kirchliche Familien- und Sexualethik wissen und wie sie dazu stehen. Damit fragte Franziskus nach den umstrittensten Punkten kirchlicher Moral überhaupt.

Was dabei herauskam, wurde bisher größtenteils unter Verschluss gehalten. Die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) hat die deutschen Umfrageergebnisse im vergangenen Februar veröffentlicht, um Transparenz herzustellen. Die meisten anderen Bischofskonferenzen der Erde brachten diesen Mut nicht auf.

Die Autoren verpacken das Ergebnis schonend

Dass der Vatikan nun überhaupt eine eigene Analyse der Umfrageergebnisse veröffentlicht hat, ist eine Geste der Dialogbereitschaft. Das Papier wird als „instrumentum laboris“ (Lat. Arbeitsmaterial) bezeichnet.

Es soll als Beratungsgrundlage dienen für die Bischofssynode, die im Oktober 2014 in Rom zusammentritt und über eine Aktualisierung der katholischen Familienethik beraten wird. Allerdings werden nicht die originalen Antworten der Gläubigen zitiert, sondern nur allgemeine Schlüsse und Fragestellungen beschrieben. So konnten die Autoren das Ergebnis schonend verpacken.

Tatsächlich sendet das Papier widersprüchliche Signale. Einerseits wird offen eingestanden, dass die kirchliche Verkündigung in der Krise steckt. Dass sich etwas ändern muss. Von mangelnder Glaubwürdigkeit ist die Rede, von „unnachgiebigem und wenig sensiblem Verhalten einiger Priester“. Immer wieder fällt das Zauberwort „Barmherzigkeit“, das Franziskus so oft verwendet und meist so ausgelegt wird, dass für die Kirche im Zweifelsfall Nächstenliebe vor Prinzipienreiterei kommen müsse.

Autoren sehen mangelnde Vermittlung als Hauptproblem

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Auf der anderen Seite gibt es eine deutliche Tendenz, den Umfrageergebnissen ihre Wucht zu nehmen. Einmal heißt es: „Eine erhebliche Zahl von Bischofskonferenzen stellt fest, dass da, wo die Lehre der Kirche in ihrer eigenen menschlichen und christlichen Schönheit in Tiefe weitergegeben wird, sie auch von einem Großteil der Gläubigen mit Freude angenommen wird.“

Das Problem ist aus Sicht der Autoren nicht die katholische Lehre, sondern ihre mangelnde Vermittlung. Kritik etwa an dem Ausschluss wiederverheirateter Geschiedener von den Sakramenten könne nur bei denjenigen aufkommen, die zu wenig von der kirchlichen Argumentation verstünden. „Oft wird die innere Verbindung zwischen Ehe, Eucharistie und Buße nicht erfasst. Daher wird es sehr schwer zu verstehen, warum die Kirche diejenigen nicht zur Kommunion zulässt, die sich in einer irregulären Situation befinden.“

Wenn Gläubige aus aller Welt in der Umfrage angeben, dass es immer mehr gleichgeschlechtliche Partnerschaften oder alleinerziehende Mütter gibt, fasst der Vatikanbericht diese Angaben als Mängelliste zusammen. Nicht als Anregung, die eigenen Standpunkte bei der kommenden Bischofssynode zu hinterfragen.

Kommen Reformen – oder bleibt alles beim Alten?

So werden homosexuelle Beziehungen oder unverheiratete Elternschaften als „kritische Situationen“ eingestuft. Damit stehen alternative Familienmodelle in der Logik des Papiers auf derselben Stufe wie Polygamie, Spielsucht, Depression, Magie oder Hexerei, die auch alle als „kritische Situationen“ definiert werden.

Die Frage wird nun sein, was die Teilnehmer der Bischofssynode mit dem Papier anfangen. Nehmen sie es zum Anlass, Reformen anzupacken? Oder behalten die Kräfte die Oberhand, die am liebsten alles so lassen wollen, wie es ist?

Welchen Kurs die Kurie verfolgen wird, ist noch unklar. Zwar hat Franziskus mit der Umfrage überhaupt erst dafür gesorgt, dass die heiklen Themen offen diskutiert werden können. Aber er hat auch stets klargemacht, dass es für ihn keinen Automatismus gibt: Nur weil manche Gläubigen bestimmte Lehraussagen ablehnen, heißt das nicht, dass die Kirche ihre Lehre auch ändern muss.

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