Kristina Hänel und ihr Kampf gegen Paragraf 219a
Allgemeinmedizinerin Kristina Hänel hat sich jahrelang für die Abschaffung von Paragraf 219a starkgemacht.
Quelle: Boris Roessler/dpa
Seit Jahren ist er umkämpft, nun gehört er der Geschichte an: Am Freitag stimmte der Bundestag dafür, den Strafrechtsparagrafen 219a abzuschaffen. Damit ist es Medizinerinnen und Medizinern nun erlaubt, öffentlich über Schwangerschaftsabbrüche zu informieren. Bisher waren sie dafür noch von Gerichten verurteilt worden. Das Gesetz muss formal noch den Bundesrat passieren, es kann aber ohne die Zustimmung der Länderkammer in Kraft treten.
Der abschließenden Beratung im Bundestag beigewohnt hatte auch Kristina Hänel. Die Allgemeinmedizinerin aus Gießen hatte sich jahrelang für die Abschaffung des Paragrafen starkgemacht. Sie bezeichnete ihre Reaktion auf das Ergebnis der Abstimmung auf Twitter als „großes Gefühl“. „Endlich können wir unserer beruflichen Verpflichtung aufzuklären vollumfänglich nachkommen“, schrieb sie. „Endlich können Betroffene sachliche und seriöse Informationen im Internet finden.“
Gerichtsprozess sorgt für Aufmerksamkeit
Hänel selbst war 2017 vom Amtsgericht Gießen zu einer hohen Geldstrafe verurteilt worden, weil sie auf ihrer Internetseite Informationen zu Schwangerschaftsabbrüchen veröffentlicht hatte. Der Fall hatte in Deutschland eine breite Debatte darüber ausgelöst, welche Informationen Ärztinnen und Ärzte zu Schwangerschaftsabbrüchen straflos geben dürfen.
Die heute 65-Jährige hatte schließlich Berufung gegen das Urteil eingelegt, die das Landgericht Gießen im Oktober 2018 jedoch abwies. Ein Jahr später hatte dann das Oberlandesgericht Frankfurt die Verurteilung aufgehoben und beschlossen, dass sich das Landgericht Gießen erneut mit dem Fall befassen müsse. Es folgte ein zäher Rechtsstreit, der Hänel bis vor das Bundesverfassungsgericht führte.
Bundestag streicht Paragraf 219a
Der Bundestag hat die Aufhebung des umstrittenen Werbeverbots für Schwangerschaftsabbrüche beschlossen.
Quelle: dpa
Hänel versammelt Tausende Unterstützer hinter sich
„Mein Leben hat sich völlig auf den Kopf gestellt“, entgegnete Hänel vergangenes Jahr im RND-Interview auf die Frage, was sich mit der öffentlichen Aufmerksamkeit durch die Gerichtsprozesse für sie verändert habe. „Die kostbare Zeit für Familie, Sport und Musik ist rar geworden. Aber die Erfahrungen, die ich machen konnte in dieser Zeit, waren auch gut.“ Unterm Strich sehe sie alles positiv – „trotz des ganzen Stresses und dieses schrecklichen Gefühls des Verurteiltseins“.
Über ihren Kampf gegen Paragraf 219a berichtete sie auf Informationsveranstaltungen, bei Podiumsdiskussionen und in ihrem Buch „Das Politische ist persönlich: Tagebuch einer ‚Abtreibungsärztin‘“. Sie nahm an Demonstrationen für die Abschaffung des Strafrechtsparagrafen teil und trug bei einer sogar einen Kleiderbügel bei sich, der auf eine archaische Abtreibungsmethode hinweisen sollte: „Wir wollen nicht, dass Frauen wieder zum Kleiderbügel greifen müssen“, erklärte sie. Ein Unterstützungskomitee mit mehreren Tausend Mitgliedern gründete sich, die ein stärkeres Informationsrecht von Frauen zum Schwangerschaftsabbruch forderten.
Mit dem Beschluss des Bundestags geht Hänels langjähriger Kampf gegen Paragraf 219a nun zu Ende. Schon im vergangenen Jahr war die Ärztin überzeugt gewesen, dass die Abschaffung die Situation in Deutschland verbessern würde. „Es ging ja niemals um mich, sondern um die Situation der betroffenen Frauen und ihrer Angehörigen“, hatte sie im RND-Interview gesagt. Allerdings hat das verabschiedete Gesetz auch Konsequenzen für sie: Hänel soll nun – wie zahlreiche andere Medizinerinnen und Mediziner, die nach Paragraf 219a verurteilt wurden – rehabilitiert werden. Sie ist also bald wieder straffrei.
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