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Herbert Kohlmaier will "die Mauer des Schweigens durch-brechen". Als Obmann der katholischen Laieninitiative ruft er zum zivilen Ungehorsam auf. Kohlmaier sieht die Kirche in einem bedrohlichen Zustand.

Foto: AP Photo/Ronald Zak

Standard: Gehen Sie noch zur Messe in die Kirche?

Kohlmaier: Ja, das tu ich.

Standard: Ein Kirchenaustritt kommt für Sie nicht infrage?

Kohlmaier: Nein. Da gibt es andere Möglichkeiten, seinen Unmut und seinen Ärger zu artikulieren. Man kann sich auch mit zivilem Ungehorsam zur Wehr setzen.

Standard: Wie kann ziviler Ungehorsam in der Kirsche ausschauen, was kann man sich darunter vorstellen?

Kohlmaier: Wir selbst bieten mehrere Möglichkeiten an. Zunächst ein persönliches Bekennen, dass man sich in die Unterstützerliste der Laieninitiative einträgt und dass man bei kirchlichen Anlässen auch ein Abzeichen trägt, dass man sichtbar zeigt, ich schließe mich dieser Aktion an. Auf unserer Homepage geben wir Empfehlungen, wo man nach eigenem Gewissen und anders handeln kann, als es die Kirche vorschreibt.

Standard: Was können Kirchgänger denn tun, um ihren Protest zu artikulieren?

Kohlmaier: Wiederverheiratete Geschiedene zum Beispiel, die nichts Schweres verschuldet haben, sollen unbekümmert zur Kommunion gehen. Oder, wenn kein Pfarrer greifbar ist, das betrifft vor allem den ländlichen Raum, soll man am Sonntag einen Priester holen, der aus dem Amt ausscheiden musste, weil er geheiratet hat, der soll dann die Messe lesen. Wir wollen auch, dass Laien, Männer und Frauen, im Haus oder anderswo, wenn keine normale Messe angeboten wird, Eucharistie feiern.

Standard: Ist das vorgekommen?

Kohlmaier: Das kommt ständig vor. Das ist eben diese Situation, die wir für unerträglich halten: In diesen hässlichen Zeiten wird alles vertuscht. Auch diese sehr zahlreichen Fälle von Ungehorsam werden in der Kirche verschwiegen. Das Nichtbeachten der Kirchenvorschriften, das bereits um sich greift, das ist in unseren Augen de facto bereits eine Kirchenspaltung. Eine Kirchenspaltung zwischen oben und unten. Die Anordnungen der kirchlichen Obrigkeit werden jetzt schon weitgehend nicht mehr beachtet. Und das ist für die Kirche ein bedrohlicher Zustand.

Standard: Betreiben Sie aktiv Kirchenspaltung?

Kohlmaier: Ganz im Gegenteil, sondern wir wollen durch Offenheit und Offenlegung diese Heimlichtuerei umwandeln in eine offene Auseinandersetzung in Freiheit. Wir wollen auf diese Weise die Hierarchie dazu bringen, dass neue Regeln gelten und anerkannt werden. Wir wollen, dass die Kirche wieder mehr in Verbindung mit den Gläubigen tritt, die heute noch an der Kirche hängen und ihren Glauben leben wollen.

Standard: Reagiert die Amtskirche darauf? Zeigt sich die Kirche von Ihrer Initiative beeindruckt, werden Sie gehört?

Kohlmaier: Es gibt Bischöfe, die das nicht sehr ernst nehmen wollen, und es gibt andere, die sehr nachdenklich sind. Ein Ziel, das wir auch erreichen müssen, ist die Mauer des Schweigens, die die Bischöfe um sich errichtet haben, zu durchbrechen. Wir haben immer wieder das direkte Gespräch mit den Bischöfen gesucht. Es ist uns weitgehend verweigert worden. Erstmals hat jetzt Bischof Ludwig Schwarz aus Linz gesagt, er würde gerne mit uns sprechen. Ich weiß, dass uns die Bischöfe mit nachdenklichem Unbehagen betrachten. Aber viele Priester sehen die Initiative mit Zustimmung. (Michael Völker/DER STANDARD, Printausgabe, 24.3.2010)