Da beginnt die Vorlesung sogar richtig altmodisch cum tempore, und trotzdem kommt man zu spät. Martin Luther hätte das missbilligt, schreibt er doch: "Denn Gott will keine faulen Müßiggänger haben, sondern man soll treulich und fleißig arbeiten." Also hastig hinein in diesen schönen, steilen, alten Raum der Uni Hamburg, den Emil-Artin-Hörsaal. Professor Michael Moxter, evangelischer Systematiker, liest über den Freiheitsbegriff in Martin Luthers reformatorischen Schriften.

Im Saal sitzen noch mehr Seniorenstudenten als in Kunstgeschichte. Die wenigen Menschen unter 30 haben ihre schweren Köpfe auf den Handflächen abgelegt. Professor Moxter hätte eine volle Kirche verdient, denn er spricht leidenschaftlich über den Kern des Protestantismus: das Verhältnis von Vernunft und Glaube, das Verhältnis von Glaube und Freiheit. Er ruft uns den Hass des Mönchs auf das Kirchenestablishment in Erinnerung: "Tyranni sunt!" Er rattert Luthers Vorwürfe gegen alles, was der Kirche lieb und teuer war und ist, herunter: Zölibat? Quatsch. Beichte? Weg. Papst? Ketzer!