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Meinung Flüchtlingspolitik

Die plötzliche Merkel-Begeisterung der Katholiken irritiert

Stv. Chefredakteur
Ziemlich beste Freunde: Reinhard Kardinal Marx (r.) lobt die Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel Ziemlich beste Freunde: Reinhard Kardinal Marx (r.) lobt die Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel
Ziemlich beste Freunde: Reinhard Kardinal Marx (r.) lobt die Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel
Quelle: pa/dpa
Gerade noch wurde die geschiedene Protestantin im Kanzleramt vielfach kritisiert. Jetzt erhält sie von der katholischen Kirche Applaus für ihre Flüchtlingspolitik. Eine solche Nähe ist befremdlich.

Der deutsche König Heinrich musste im Jahr 1071 noch barfuß nach Canossa laufen, um vom Papst empfangen zu werden. Seitdem hat sich das Verhältnis zwischen Staat und Kirche deutlich entspannt.

Als Angela Merkel jüngst voll bekleidet zum St.-Michaels-Empfang in die katholische Akademie im Regierungsviertel pilgerte, bekam sie guten Wein gereicht. Berauschender aber für sie war das Interview, das der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Reinhard Kardinal Marx, am Vortag in der „taz“ hatte.

Schon auf der Titelseite verdammt er die Einwände der CSU gegen die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung und ließ sich dafür tatsächlich in der Kanzlerinnen-Pose ablichten: Ein selig lächelnder Kardinal, der die Merkel-Raute zeigt.

Die „taz“ ist für ihre gelungen satirischen Titelblätter bekannt, und zuerst dachte ich, die Kollegen hätten die neue Begeisterung der Katholiken für die Kanzlerin auf die Schippe genommen. Erst vor wenigen Jahren hat ein anderer Kardinal die CDU ja aufgefordert, das C aus dem Parteinamen zu streichen.

In konservativen Kreisen wurde die kinderlose, geschiedene Protestantin an der Spitze der Partei Adenauers von Kita-Ausbau bis Homo-Ehe für jeden gesellschaftlichen Wandel persönlich verantwortlich gemacht.

Sind Nato-Schiffe in der Ägäis Gottes Plan?

Im Evangelium folgt auf das „Hosianna“ sehr schnell das „Kreuzigt ihn!“, diesmal war es umgekehrt: Seit Merkel überraschend in die Rolle der Flüchtlingskanzlerin stolperte, schalt es aus erzbischöflichen Palais und angeschlossene Medien: „Santo subito!“

Ich kann den Impuls verstehen. Es ist ja auch christlich, im Fremden den Bruder zu sehen. Es war eine gute Idee, den Kölner Dom zu verdunkeln, damit er nicht zur Kulisse von Hasspredigern wird.

Andererseits sieht das Kirchenrecht standrechtliche Heiligsprechungen aus guten Gründen nicht vor. Denn auch manchem Gläubigen sind mittlerweile Zweifel gekommen.

Ob die Schließung der türkischen Grenze wirklich christlicher ist als die Schließung der deutschen Grenze? Sind Nato-Schiffe in der Ägäis Gottes Plan? Ist der Erdogan-Deal moralischer als die Schließung der Balkanroute?

Wenn Kardinal Marx ehrlich ist, kann er sich darauf nicht einmal mit den Brüdern aus Polen einigen. Deshalb sollte er bei aller Obrigkeitsbegeisterung darauf achten, wie ein Hirte einer vielfältigen Herde zu wirken – und nicht wie einer von den Zeugen Angelas.

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