Menschen im Mutterleib

23. Juni 2014


In den liturgischen Texten des Vorabends vom Hochfest der Geburt Johannes des Täufers ist von Menschen im Mutterleib die Rede, die, als sie noch nicht geboren waren, schon eine besondere Wertschätzung von Seiten Gottes erfahren.

Von Johannes wird vorhergesagt: „Schon im Mutterleib wird er vom Heiligen Geist erfüllt sein“ (Lk 1, 15). Die vorgeburtliche Gnade Gottes erfährt auch Jeremia, von dem es heißt: „Noch ehe ich dich im Mutterleib formte, habe ich dich ausersehen, noch ehe du aus dem Mutterschoß hervorkamst, habe ich dich geheiligt, zum Propheten für die Völker habe ich dich bestimmt.“ (Jer 1, 5).

Naja, könnten wir sagen, das sind große Propheten! Kein Vergleich zu uns, kein Vergleich zu den Menschen, die heute im Mutterleib leben. Otto Normalfötus ist mehr als zwei Jahrtausende nach Jeremia und Johannes ein seelenloser Zellhaufen, mit dem man nach Belieben verfahren kann.

Der Antwortpsalm ruft uns jedoch etwas ganz anderes ins Gedächtnis. Mit dem Psalmisten singen wir auch heute: „Vom Mutterleib an stütze ich mich auf dich, vom Mutterschoß an bist du mein Beschützer; dir gilt mein Lobpreis allezeit.“ (Ps 71, 6) Gott liebt uns von Anfang an, ohne dass wir große Propheten sein müssen. Allein, weil wir Menschen sind, mit denen Gott die Verwirklichung Seines Heilsplans ein kleines oder großes Stück voranbringen will.

(Josef Bordat)

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