Morgen beginnt das Pessachfest
Beim Feiern des Pessach-Festes wird nicht nur der Ereignisse der Vergangenheit gedacht, sondern jeder soll sich in das Geschehen so hineinversetzen, als wäre er selbst ein Sklave gewesen und aus Ägypten ausgezogen.
Lange hatten sich die Ägypter geweigert, die Hebräer zurück in ihre Heimat ziehen zu lassen. Neun Plagen hatte das Land schon erlitten. Erst die zehnte Plage: die Tötung der Erstgeborenen aller Menschen und Tiere, brachte Pharao zum Umdenken. In jeder Familie starben Menschen. Nur an den Häusern der Hebräer, deren Türpfosten mit dem Blut eines frisch geschlachteten Lammes bestrichen waren, ging der Todesengel vorüber. Noch in derselben Nacht sagte Pharao zu Mosche und Aharon: „Verlasst mein Land, ihr beide und euer ganzes Volk“.
Die Hebräer waren auf einen hastigen Aufbruch vorbereitet. Sie versammelten sich in Gruppen, um das gebratene Pessach Lamm und die ungesäuerten Brote im Stehen zu essen – wie Gott es befohlen hatte. Als die Sonne über den Horizont stieg, zog das ganze Volk Israel an einem kühlen, stillen Morgen nach Osten.
Als die Israeliten in der Sklaverei über ihre Unterdrückung seufzten, rührte ihr Wehklagen Gottes Herz, er gedachte seines Bundes mit Abraham, Isaak und Jacob und leitete ihre Befreiung ein (2 Mose 2,23-25). Es war in diesem Fall keine Buße und kein besonders gottgefälliges Verhalten, die ihn bewegten – es war die Not und der Schrei seiner Kinder. Ein Prinzip, das auch heute noch für alle Kinder Gottes und insbesondere für sein auserwähltes Volk gelten. „Rufe mich an am Tage der Not, so will ich dich retten und du sollst mich preisen!“ (Psalm 50,15)
Das ganze Volk der Ägypter zahlte einen enormen Preis dafür, dass sie sich an Gottes Volk vergriffen hatten: ein Todesfall in jeder Familie und dazu kam noch die Vernichtung der ägyptischen Armee. Genaue Zahlen übermittelt die Bibel nicht. Aber wenn man das hochrechnet, dürfte es eine der höchsten Verlustquoten aller Zeiten gewesen sein. Und es betraf jeden in Ägypten – unabhängig davon, ob er sich tatsächlich selber schuldig gemacht hatte. Ungerecht? Das Volk und Pharao wurden neun Mal durch neun Plagen gewarnt. Wurden die beobachtenden Zivilisten aktiv – oder sahen sie lieber weg und schwiegen? Ihre Passivität wurde ihnen auf jeden Fall von Gott nicht als mildernder Umstand angerechnet, wegen dem sie verschont worden wären.
Während der Sklaverei mussten die Hebräer ohne Entlohnung ein unglaubliches Arbeitspensum erbringen. Vordergründig bereicherten sich die Ägypter dadurch.
Aber als die Israelis auszogen, gaben ihnen die Ägypter auf ihre Bitten hin Schätze mit, so dass sie reich waren, als sie das Land als freie Menschen verließen (2. Mose 12,35-36).
So sorgte Gott für einen Ausgleich und ließ aus dem ursprünglichen Leid einen Segen entstehen.
Immer wieder zeigt sich die menschliche Geschichte als Zusammenspiel zwischen Menschen und Gott, in der Gott die Wunder bewirkt – aber gleichzeitig von Menschen erwartet, einen Beitrag zu leisten. Sei es der Hilferuf der Gottes Herz bewegte, der Gehorsam ein Lamm zu schlachten und die Türpfosten zu bestreichen, der Mut, Ägypten zu verlassen und sich auf eine ungewisse Reise zu begeben oder das absolute Vertrauen zu Gott, durch das Meer zu gehen – bei jedem Schritt hatte auch Israel eine konkrete Aufgabe zu erfüllen.
Seit Jahrhunderten wird Pessach als Fest der Befreiung gefeiert. Foto: Shutterstock
Seit dem Auszug aus Ägypten sind Jahrtausende vergangen – und seither wird Pessach, eines der wichtigsten Feste des Judentums, jährlich in der Woche vom 15. bis 21.Nisan gefeiert und mit dem Sederabend am 14. Nisan eingeleitet.
Die Pessach Feier ist ein großes Festmahl im Familienkreis. Der Abend beginnt mit einem Segen und bestimmte Speisen mit symbolischer Bedeutung werden nach einem genau festgelegten Verlauf gemeinsam eingenommen. Das jüngste Kind stellt vier Fragen aus deren Antworten die Bedeutung des Festes hervorgeht. Im Laufe des Abends werden auch insgesamt vier Becher Wein getrunken. Diese symbolisieren Gottes Verheißungen: die Kinder Israels herauszuführen, zu erretten, zu erlösen und als eigenes Volk anzunehmen. Der Sederleiter verliest die entsprechenden Bibelstellen und Erklärungen aus der Pessachliturgie .
Die Nacherzählung (Haggada) der Befreiung der Israeliten aus der Sklaverei in Ägypten verbindet jede neue Generation mit dieser zentralen Erlösungserfahrung. Jeder soll sich in das Geschehen so hinein versetzen, als wäre er selbst ein Sklave gewesen, aus Ägypten ausgezogen und würde seinen Kindern davon erzählen.
Auch in späteren Zeiten der Not haben Juden aus der Identifikation mit dieser Geschichte Mut geschöpft und die Hoffnung auf Erlösung bewahrt.
Auszug aus Aufbruch zu Pessach